Warum ein schottischer Autohändler im Jahr 1911 ein amerikanisches Auto auf den Gipfel von Schottlands höchsten Berg, den Ben Nevis, fahren ließ.
Der Ben Nevis. Der höchste Berg in Schottland und gleichzeitig auch der höchste des Vereinigten Königreichs. Mit 1345 m Höhe ist er bei weitem nicht vergleichbar mit den Bergen der Alpen oder anderer europäischer Gebirge. Wie alle Gipfel zieht er aber Bergsteiger, Wanderer und sonstige Touristen an.
Manche Menschen inspirieren Berge zu Malereien, Fotografien oder Sportarten wie Wandern, Bergsteigen oder Skifahren. Einige sind aber nicht zufrieden mit so langweiligen Beschäftigungen. Sie machen vielleicht bei Wettrennen auf den Berg mit oder machen Freeclimbing oder Basejumping.
Ein Mann kam im Mai 1911 auf eine ganz besondere Idee: Nämlich zu Werbezwecken mit einem Auto auf den Ben Nevis hinaufzufahren!
Und die Idee für diese spektakuläre Aktion hatte Henry Alexander, ein Autohändler aus Edinburgh.
Alexander wollte mit dieser Fahrt beweisen, dass das erste Auto vom Fließband, das berühmte Ford Modell T aus den USA, den einheimischen, damals noch in Handarbeit gefertigten Modellen, überlegen war. Selber wollte er aber nicht auf den Berg fahren. Stattdessen sollte sein Sohn Alexander Junior es machen.
Es wird berichtet, dass Alexander Senior seinem Sohn damit drohte, seine Unterhaltszahlungen einzustellen, sollte er nicht mit einem seiner Autos auf den Ben Nevis fahren. Sohnemann hatte sich offensichtlich im Status „Beruf Sohn“ gut eingerichtet. Alexander Junior machte sich also gezwungenermaßen von Edinburgh auf den Weg nach Fort William, von wo er seinen Aufstieg oder besser seine Auffahrt, begann.
Aber natürlich war er mit seinem Auto auf dem Weg zum Gipfel nicht alleine. Eine ganze Schar an Helfern begleitete ihn und musste unterstützen, denn der vorhandene Fußweg auf den Berg war ganz und gar nicht geeignet für ein Auto. Und erst recht nicht für ein Auto ohne Allradantrieb.
Die Herausforderungen waren, neben der Steigung, dem schmalen Weg und herumliegenden Geröll, auch Moorflächen, kreuzende Bäche, wucherndes Heidekraut, Steine, Schnee und Eis. Zeitweise musste das Auto geschoben werden, es mussten Planken über matschige Stellen oder Bäche gelegt oder der Weg spontan verbreitert und ausgebessert werden. In einem kurzen Stummfilm von der Fahrt ist sogar zu sehen, wie mit Dynamit dem Weg etwas nachgeholfen wird..
Und das alles um eine Distanz von 8 km Länge auf 1345 Höhenmetern bis zum Gipfe zu überwinden.
Insgesamt dauerte der Weg nach oben fünf Tage. Allerdings nicht am Stück. Man ließ den Wagen am Ende des Tages einfach stehen, wo er stand, ging zum Schlafen und Ausruhen wieder hinunter nach Fort William und machte am nächsten Tag dort weiter, wo man am vorigen aufgehört hatte.
Am Gipfel angekommen wartete dann sogar die versammelte Presse, um alles mit dem Fotoapparat für die Nachwelt festzuhalten. Größtenteils gab es in den Zeitungen begeisterte Berichterstattung über die spektakuläre Leistung Alexanders. Ein Reporter der Times jedoch schrieb sehr abwertend über die Befahrung des Ben Nevis. Nicht wegen der Aktion an sich, sondern weil ihn das Pony, welches ihn auf den Gipfel trug, abwarf und er sich beim Sturz die Nase brach.
Der Rückweg war dann um einiges einfacher und dauerte nur einen Tag. In Fort William wurde Alexander dann von der jubelnden Menge empfangen.
Nach einem Bad in der Menge stellte Alexander Junior lediglich die Bremsen am Fahrzeug neu ein und fuhr zurück nach Edinburgh.
Viele Firmen verwendeten diesen medialen Erfolg für sich, allen voran natürlich die Firma Ford und der Autohändler Alexander Senior. Aber auch die Firmen, deren Produkte im Auto benutzt worden waren, zum Beispiel das Motoröl, warben gerne damit.
100 Jahre später, im Jahr 2011, feierten einige Auto-Enthusiasten die Fahrt Alexanders mit einer Nachahmung. Eigentlich wollten sie den Nachbau eines Ford T mit einem Hubschrauber auf den Gipfel fliegen. Das wurde ihnen jedoch verboten. Also zerlegten sie das Fahrzeug in 77 Teile, 60 Freiwillige trugen die Einzelteile hinauf und bauten sie oben wieder zusammen. Nach einem kurzen Foto wurde das Auto wieder zerlegt und zurück ins Tal gebracht. Völlig verrückt..

Seit 2018 steht in der Innenstadt von Fort William auch eine Bronzeskulptur des Autos mit Alexander Junior am Steuer um an seine Leistung zu erinnern.
Über diese kuriose Geschichte habe ich in der Podcastfolge 11 – Kuriose Fakten Teil 1 gesprochen.
Quellen und Links
- Beitragsbild: http://www.thebronzeford.co.uk
- de.wikipedia.org – Ben Nevis
- de.wikipedia.org – Ford Modell T
- bbc.com – Why a Model T was driven to the top of Ben Nevis vom 17.05.2018
- scotsman.com – Video: The motor car driven to the top of Ben Nevis vom 18.09.2017
- mein-schottland.de – MSC011 – Kuriose Fakten Teil 1
- modeltford.co.uk – 2011 Rally
- bbc.com – Sculpture of Ben Nevis drive unveiled in Fort William vom 21.05.2018
- Google Maps – Street View: Skulptur am Cameron Square
- artuk.org – The Bronze Ford (Bild)
- markstoddart.com – Model T Ford Car