Massaker von Glencoe

Das Massaker von Glencoe

Für viele Schotten ist der Name Glencoe für immer untrennbar mit einem Massaker verbunden. Am 13. Februar 1692 wurden 78 Menschen des Clan Donald hinterhältig von Soldaten vom Clan Campbell ermordet. Dieser Vorfall hat eine jahrhundertelange Fehde zwischen den Clans Campbell und Donald ausgelöst.

Wie kam es dazu und warum ist dieses Ereignis heute noch so präsent?

Über das Tal Glencoe, Sehenswürdigkeiten und das Massaker habe ich bereits ausführlich in der Podcastfolge 2 gesprochen.

Das Tal

Glencoe - After the rainstorm by Doug Lee, CC BY-SA 2.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0>, via Wikimedia Commons
Glencoe – After the rainstorm by Doug Lee, CC BY-SA 2.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0, via Wikimedia Commons

Glencoe ist ein markantes Hochlandtal in den westlichen Highlands, etwa 25 Kilometer südlich von Fort William gelegen. Es verläuft in Ost-West-Richtung und erstreckt sich über rund 16 Kilometer. Die Landschaft wurde während der letzten Eiszeit durch massive Gletscherbewegungen geformt, wodurch ein klassisches U-förmiges Trogtal mit steilen Talflanken und einem breiten Talboden entstand. Die geologische Geschichte des Tals reicht aber noch weiter zurück: Glencoe ist Teil eines erloschenen Vulkans, dessen Überreste heute zur dramatischen Felskulisse beitragen.

Die Umgebung ist geprägt von schroffen Bergen, tief eingeschnittenen Schluchten und weiten Moorflächen. Besonders bekannt sind die Three Sisters of Glencoe – drei parallel verlaufende Bergrücken, die majestätisch über dem Tal thronen. Der Berg Buachaille Etive Mòr, am östlichen Taleingang, zählt zu den meistfotografierten Gipfeln Schottlands.

Glencoe ist heute Teil des National Nature Reserve und gilt als eine der spektakulärsten Landschaften Großbritanniens. Die wilde, oft nebelverhangene Natur vermittelt eine eindrucksvolle, beinahe mystische Atmosphäre, die Besucher aus aller Welt anzieht.

Die Vorgeschichte

Wir schreiben das Jahr 1688. Es herrschen in Schottland und England Machtkämpfe, insbesondere zwischen den Anhängern der unterschiedlicher Religionen. Die von Schottland ausgehende Reformationsbewegung von John Knox im Jahr 1506 war der Startschuss für einen erbitterten Machtkampf zwischen katholischen und protestantischen Kirchenströmungen. Sie kämpften verbissen um die Vorherrschaft und den Einfluss. Jakob II. regierte in England und Irland. Gleichzeitig war er als Jakob VII. in Schottland an der Macht.

Seine pro-katholische und absolutistische Politik verursachte in der Bevölkerung die Angst, er würde Britannien zum Katholizismus zurückführen und absolutistisch herrschen wollen wie die Herrscher Frankreichs. Er gehörte schließlich zur Herrscherdynastie der Stuarts, die in Schottland seit 1371 die Könige stellte.

Im Zeitraum von 1688 bis 1689 setzte sich die Opposition des königlichen Absolutismus mit der Glorious Revolution durch, woraufhin Jakob nach Frankreich fliehen musste. Den Thron übernahm Wilhelm III. von Oranien, was nicht bei allen Bewohner:innen der Highlands gut ankam: Die Anhänger von Jakob, dem letzten rechtmäßigen Monarchen Schottlands, wurden von da an als Jakobiten bezeichnet. 1689 kam es zum ersten Jakobitenaufstand.

Nach einer verlorenen Schlacht plünderten Kämpfer des Clans MacDonald, genauer MacLain von Glencoe, mit ihren Cousins von Glengarry die Ländereien von Robert Campbell von Glenlyon und stahlen sein Vieh. Er hatte hohe Spielschulden und musste deshalb eine Stellung bei der Armee annehmen. Nur so konnte er seine Familie versorgen. Seine Klage auf Schadenersatz wurde abgewiesen.

Ein Aufstand scheitert

Nach zwei weiteren verlorenen Schlachten ging der Aufstand zu Ende. Im August 1691 bot Wilhelm III. allen aufständischen Clans eine Amnestie an, die Bedingung war lediglich, einen Treueeid auf ihn zu schwören. Und zwar bis zum 1. Januar 1692.

Die Clanchefs der Jakobiten nahmen Kontakt mit ihrem im Exil in Frankreich lebenden König auf und fragten an, ob sie diesen Eid leisten dürften. Er gestattete es ihnen. Leider erreichte sie diese Antwort erst Mitte Dezember 1691, also kurz vor Ablauf der Frist. Man muss sich einfach mal die Postwege von Schottland nach Frankreich mit Pferd und Segelschiff vorstellen. Ein paar Wochen waren da ja nichts.

Nach und nach leisteten alle Clans den geforderten Eid. Nur Alastair MacDonald, der Chief von Glencoe, wartete bis zum 31. Dezember 1691, bevor er nach Fort William aufbrach. Der dortige Kommandeur hielt sich nicht für zuständig und verwies Alastair an den Sheriff von Argyll in Inveraray, das 140 km südlich von Fort William liegt.

Es war also unmöglich, den Eid noch innerhalb der Frist abzulegen, da die Entfernung zwischen Fort William und Inveraray einfach zu groß ist. Hinzu kamen auch die harten winterlichen Bedingungen. Der Kommandeur gab Alastair jedoch einen Brief mit, in dem er die rechtzeitige Ankunft in Fort William bestätigte. Drei Tage brauchte Alastair nach Inveraray und wartete weitere drei Tage auf den Sheriff, der bei seiner Ankunft nicht anwesend war.

Er leistete schließlich den Eid und hielt die Angelegenheit damit für erledigt. In der Regierung unter Wilhelm III. sahen einige aber die Chance gekommen, endlich gegen die MacDonalds vorzugehen. Es begann eine Verschwörung an deren Ende ein fataler schriftlicher Befehl zur Ermordung der MacDonalds stand.

Das Massaker

Ende Januar 1692 wurden 120 Soldaten unter dem Kommando von Robert Campbell von Glenlyon, dessen Vieh damals geraubt wurde, nach Glencoe geführt und genossen dort die übliche Gastfreundschaft der Highlands. Zähneknirschend, denn sie waren ja „der Feind“, aber so war es Sitte. Sie schliefen zwei Wochen lang unter einem Dach mit den MacDonalds und speisten an einem Tisch. Am 12. Februar kam dann ein Bote mit einem schriftlichen Befehl für Robert Campbell an:

An Captain Robert Campbell of Glenlyon

Sir, Sie werden hiermit beauftragt, die Rebellen zu überfallen, die MacDonalds of Glencoe, und alle Personen jünger als 70 Jahre hinzurichten. Sie werden insbesondere angewiesen, darauf zu achten, dass der alte Fuchs und seine Söhne Ihnen auf keinen Fall entkommen können. Sie haben alle Straßen und Wege zu sichern, dass kein Mann entkommen kann. Diesen Befehl müssen Sie exakt um 5 Uhr morgens ausführen. Ich werde um diese Uhrzeit oder kurz danach mit einer starken Streitmacht zu Ihnen stoßen. Sollte ich nicht um 5 Uhr kommen, haben Sie nicht auf mich zu warten, sondern weiterzumachen. Dieser Befehl kommt direkt als Spezialauftrag vom König, zum Wohle und zur Sicherheit des Landes, damit die Wurzeln dieser Kreaturen abgeschnitten werden. Achten Sie darauf, dass dieser Befehl unparteiisch befolgt wird, andernfalls werden Sie als Feind des Königs und der Regierung betrachtet und als unfähig ein königliches Kommando zu führen. In Erwartung, dass Sie schon in eigenem Interesse erfolgreich sein werden, unterzeichne ich dies eigenhändig.

Unterzeichnet Robert Duncanson

Im Dienste Ihrer Majestät

Alastair und sein Clan wurden im frühen Morgen überrascht und brutal getötet, nur seine Söhne konnten entkommen. 38 Männer wurden in ihren Häusern oder auf der Flucht getötet, 40 weitere Frauen und Kinder starben im Freien bei tiefsten winterlichen Temperaturen, nachdem ihre Häuser niedergebrannt worden waren. Eine Untersuchungskommission zu diesem Vorfall im Jahr 1695 entlastete den König und schob die Schuld allein dem Sekretär des Königs, John Dalrymple, zu.

Die Folgen

Damit war die Fehde zwischen den Donalds und den Campbells neu entfacht und besteht teilweise noch bis heute. Das Massaker schockierte damals weniger aufgrund der vergleichsweise geringen Zahl der Opfer, sondern vielmehr wegen des eklatanten Missbrauchs des Gastrechts durch die Campbells. Die Tat wird von vielen Schotten noch heute als Schandfleck in deren Clangeschichte betrachtet.

Laut Wikipedia hing am Gasthof Clachaig Inn in Glencoe bis zum Ende des 20. Jahrhunderts ein Schild an der Eingangstür mit der Aufschrift: „Hausierer und Campbells haben keinen Zutritt“. In diesem Gasthof aß ich 2017 in meinem Schottlandurlaub sogar einmal zu Abend. So nah kann man der Geschichte also manchmal kommen.

Heute befindet sich der überwiegende Teil des Landes von Glencoe im Besitz des National Trust of Scotland. Der letzte Teil, der sich noch im Besitz der MacDonalds von Glencoe befand, wurde 1894 von Donald Smith, Baron von Strathcona, aufgekauft. Erst 2002 erwarb Alistair MacDonald von Glencoe das Land im letzten Moment von den Erben Smiths. So gehört auch heute wieder ein Teil des Landes den ursprünglichen Besitzern. Es wird von einer neu gegründeten gemeinnützigen Stiftung verwaltet.

Jedes Jahr findet am 13. Februar von der „Clan Donald Society of Edinburgh“ eine Kranzniederlegung am Denkmal des Massakers in Glencoe statt. Dazu reisen Mitglieder des Donald-Clans aus der ganzen Welt an.

Quellen und Links

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